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“Florian Hettler Mac’ky war ein gutaussehender Junge. Er trug weite Hosen und dicke Pullover, im Sommer hatte er immer T-shirts an und eine rote Kappe auf. Er machte auf mich einen guten Eindruck, als ich neu in die klasse kam.
Als ich ihn ansah, schaute er micht einmal zu mir auf.
Auch in den pausen, wenn ich immer wieder versuchte, irgendwie an ein Gespräch mit ihm ranzukommen, liess er mich chancenlos.
Er studierte jedes Mal die in der letzen stunde aufgeschrieben texte, die Seiten in den büchern und die hausaufgaben, denn er hatte wohl angst davor, dass die lehrer eine unangekündigte Arbeit schreiben würden.
Dies war nie der fall, und trotzdem besserte sich florian nicht.
Auf partys, was in unserem alter üblich war, hatte man ihn nie gesehen, und ich weiss auch bisher nichts davon, dass er jemals eine freundin gehabt hatte.
Er schien wohl in seiner eigenen welt zu leben, zu träumen, träumen von dem Unendlichen.
Florian war so ein gutaussehender und modebewusster Junge, den viele von meinen freundinnen schon mal ins auge geschlossen hatten; jedoch war nie jemand näher an ihn rangekommen, egal wie viele es schon versucht hatten.
Seine gefühle und seine gedanken waren so fern wie ein unbemerkter planet im Weltall.
Das ist alles was ich zu sage habe“

„In der Grundschule waren ich und Florian gute Freunde gewesen. Einen besten Freund hatte er nie gehabt, glaube ich. Wir waren eher Kumpels. Florian war ein richtig guter Kumpel; wir schlichen uns jeden Freitag im Sportunterricht unbemerkt raus und rauchten dann, weil Florian die Zigaretten immer von seinem Vater zugesteckt bekam.
Es war toll, mit ihm aufzuwachsen. In der 5. Klasse waren wir noch immer Freunde, und Florian war bereits damals schon etwas erwachsener gewesen als wir alle. Er hatte noch immer denselben Humor und er konnte die ganze klasse oftmals zum lachen bringen, doch in manchen situationen wirkte er ernst und bescheiden, als hätte man seine Person einfach ausgetauscht.
In der 8. Klasse wurden wir dann getrennt, und seitdem hatte ich nicht mehr viel mit ihm zu tun.
Es kam die zeit, in der wir uns merh mit alkohol, partys und Freundinnen beschäftigten als mit der schule, Florian jedoch schien zeitlich stehengeblieben zu sein. Er hatte nie eine freundin, er sagte, er wollte gar keine haben. Er baute um sich herum eine mauer aus stahl, die niemand durchbrechen konnte.
Nachmittags saß er oft alleine zu Hause. Er machte jedes Mal seine hausaufgaben, er lernte für jede arbeit, für jeden test, für jede mündliche Prüfung hatte er immer die perfekten Antworten auf Lager.
Ich fragte mich, wie er das machte. Er wurde ausgenutzt, wie Dreck behandelt, und selbst ich kam immer angekrochen, sobald ich etwas von ihm brauchte oder er mir bei Klausuren helfen musste.
Nun... mehr kann ich dazu nicht beitragen“

„Florian Hettler Mac’Ky war mein älterer Bruder. Ich bin 2 ½ Jahre jünger wie er. Ich merkte, dass er bereits in der 4. Klasse begann, verantwortungsbewusst und selbstständig zu werden; ich sah ihn heranreifen zu einem netten, fröhlichen Jungen. Er war von den Mädchen wegen seines unschüchternen und schlagfertigen Aussehens heiss begehrt, er kaufte sich teure Klamotten und teuren Schmuck.
Doch irgendwie widersprachen sich sein Äusseres und sein Inneres.
Er war nämlich ziemlich strebhaft, er wollte immer das beste erreichen und setzte sich so weit entfernte Ziele, dass es für mich oftmals unmöglich schien, dorthin zu gelangen.
Als ich noch ein kleines Kind war, sorgte er sich immer um mich und las mir Geschichten vor; manchmal auch seine Schulaufsätze, die ich immer super fand.
Er tat viel für die Schule, zu viel.
Wenn Freunde ihn fragten, ob er mit ihnen weggehe, winkte er ab und sagte, er müsse noch seine Hausaufgaben erledigen, und er wollte schließlich nicht wie viele andere enden, die jeden morgen früher in die schule kommen, um noch schnell den versäumten stoff von gestern nachzuholen.
Er klagte oft über seine Klassenkameraden, die sich einen Dreck um die Schule kümmerten und die ihn als Spielverderber und Streber bezeichneten.
Mit 15 Jahren kündigte er dann seinem Handballverein, das einzige, was ihm noch Freiheit und Bewegung gab. Er meinte, er würde zeitlich nicht mehr hinkommen, und er hätte keine Nerven mehr dazu.
Nun war er ganz von der Aussenwelt abgegrenzt, und hatte, ausser der Schule, keinen Kontakt mehr zu anderen Leuten.
Ich hatte nie das recht zu wissen, was in seinem Kopf vorging, wieso er die Schule
Seiner Freizeit und seinen Freunden vorzog.
Das tat niemand ausser ihm.
Er wollte geachtet werden, und wurde stattdessen verachtet.
Seine guten Noten rissen ihn ins Verderben...“

„Dieser Florian war bloß ein Klassenkamerad von mir, ich hatte mit ihm so gut wie gar nichts am Hut.
alle Mädels rannten hinter ihm her, ich jedoch fand ihn nur dumm und spießig. Er war der perfekte streber. Er redete im Unterricht mit keinem, und wenn man ihn mal so zwischendrin ganz höflich etwas fragte, gab er nur ne kurze antwort und giftete einen dann voll an, dass man sich ja so nicht konzentrieren könnte.
Mit seinen einsern gab er voll an. Entweder saß er zuhause die ganze zeit rum und lernte, oder er war ein Multigenie.
Ich hätte mal einen IQ-test mit ihm machen sollen; so was Schlaues und Lernwilliges hatte ich noch nie erlebt.
Er vergrub sich in den Pausen in seinen Erdkunde- und Geschichtsbüchern und las sie, als seien es Romane oder so. Er wollte immer der beste sein, er war total wissbegierig; wenn es etwas gab, dass er nicht verstand, meldete er sich sofort und fragte lieber noch einmal nach, bevor er sein Multiwissen nicht erweitert hatte.
Vielleicht war er auch nur machtgierig, ich weiss es nicht.
Auf jeden fall war er ziemlich verrückt und lebte in einer fremden Welt. Deshalb hänselten wir ihn oft, und ich denke, wenn wir es nicht getan hätten, hätte es auch nichts geändert.
Das war alles.“

„Wenn die Schule ihm nicht so viel Druck gemacht hätte, wäre Florians Lebenslauf von vornerein anders abgelaufen.
Das Sonnenlicht sah er nur, wenn er morgens zur schule lief, und selbst da kreisten in seinem Kopf gedanken herum wie: welche Vokabeln werden heute wohl in Englisch gefordert, welche fragen kommen in der arbeit nächste woche dran, wie regel ich heute meinen Zeitplan, und wie soll ich den anderen heute sagen, dass ich keine lust auf das fußballspiel habe?
Von der wirklichen Welt bekam er nie was mit. Die lehrer nannten ihn ausserordentlich fleissig und Unterrichtsinteressiert. Ob ihn das alles wirklich interessierte, oder ob er einfach nur so tat? Vielleicht sah er Schule auch so etwas wie ein Staatsgefängnis an oder so. Wenn man so schnell wie möglich da rauswollte, musste man seinen Vorgesetzten gehorchen und harte Arbeit leisten.
Seine Lehrer waren seine Götter, denen er gehorchte.
Es gab da einmal einen ziemlich verwirrenden Zwischenfall, zwischen Florian und mir und den Jungs.
Wir hatten eine Freistunde und ich und meine Kumpels saßen am Schulzaun und rauchten.
Als ich Florian ganz alleine dasitzen sah, wie er dann langsam seinen Schulranzen hervorholte und zu seinen hausaufgaben griff, die wir in der vorigen Stunde aufbekommen hatten, gab ich mir einen Ruck und ging auf ihn zu.
Ich fragte ihn, ob er sich nicht zu uns gesellen wollte, und merkwürdigerweise kam er auch mit.
Als wir ihm eine Zigarette anboten, nahm er an.
Er rauchte ziemlich langsam und relaxed, aber auch gekonnt. Er musste irgendwo schon einmal erfahrungen mit diesen Dingern gemacht haben.
Dann fing Joe an, ihn auf sein einsames Leben und auf seine guten Leistungen anzusprechen. Er fragte, wieso er alles so genau wüsste. Er war hoch talentiert. Und deshalb fragte er ihn danach.
Dann fing auch noch Leonardo an, ihn zu provozieren.
Er sagte so etwas ähnliches wie: Sehnst du dich denn nicht manchmal nach dem Leben?
Und auf diese Frage gab er eine ziemlich seltsame Antwort.
Na ja.... ich denke, Leonardo erzählt das nun selber.“

„Es stimmt, ich wollte ihn provozieren. Er war ein toter Mann. Ich hatte meine zigaretten, meine Feiern, meine kumpels und meine Weiber. Mehr brauchte ich nicht. Ich würde später ein alter schrulliger Puffopa werden, der genüsslich seine Zigarre rauchte und sich von den jungen Mädels den Kopf verdrehen liess.
Doch was wollte Florian erreichen? Wollte er etwa in die geschichte eingehen als ein weiser und gelehrter Jesusprediger, oder als der neue Präsident?
Deshalb fragte ich ihn, wieso er nicht einfach lebte. Seine Jugend auslebte, solange es seine Gesundheit noch mitmachte.
Darauf antwortete er dann: Die schule ist so etwas wie eine Mission für mich. Ich versuche, meine Aufgabe so gut wie möglich zu erfüllen. Wenn ich hier raus bin, gründe ich eine eigene Firma, lass andere für mich arbeiten und werde reich. Wenn ich dann genug davon hab, hau ich ab, irgendwo in den Süden, kaufe mir eine Insel, nur für mich allein.
Wieso wollt ihr ausgerechnet jetzt, mit 16 oder 17 Jahren, leben?
Ihr habt nichts dass man als Erwachsener sich nicht auch holen kann, ihr habt weniger Rechte, kein Geld auf dem Konto, ihr lebt noch zuhause bei euren Eltern und zählt im Staat nicht als freie Männer.
Doch wenn man erst mal alt genug ist, aus der Schule und der Arbeit entflohen, dann steht dir die Welt zu Verfügung. Du kannst tun und lassen was du willst, und die zeit, in der du hart gearbeitet und geschuftet hast, bleibt zurück, wie ein kleiner, bedeutungsloser Fleck in deinem Leben!
Als er dies gesagt hatte, stand er wieder auf und ging.
Ich und die Jungs blieben noch eine Weile sitzen und dachten über Florians Worte nach. Irgendwie ergab es einen Sinn....“

„Florian Hettler Mac’ky, von seinen ehemaligen Freunden verachtet und verspottet, in den Wahnsinn getrieben wegen seinem unbegrenzten Wissen und seinen guten Erarbeitungen,
16 jahre alt, wohnhaft in Edinburgh, schon seit 3 Monaten an einem Virusfieber erkrankt, verstarb gestern um 14: 03 Uhr in seinem Zuhause an hoher Körpertemperatur.
Seine Lebensgeschichte schilderten uns hier seine Bekannten und Klassenkameraden, seine aussergewöhnliche Lebenseinstellung und sein Stand zu Freunden, Familie und Schule.
Florians Familie ist sehr gekränkt über sein plötzliches Versterben. Nie wusste auch nur ein einziger Mensch, was Florian wirklich wollte, was er dachte, und was seine Träume waren.
Kurz bevor er seine erste Stellenannahme zugeschickt bekam, passierte das Unglück.
Dieser Junge hätte mit seiner Intelligenz und seinem guten Schulabschluss weit mehr erreichen könne wie so manch anderer.
Tage und Nächte hatte er sich gequält, gelernt, seine eigene Freiheit und seine ganze Jugend dafür hinter sich gelassen und vergeudet.
Wie bekannt ist, wird Leonardo Retberry, der als uninteressiert und unhöflich bezeichnet wird, morgen an seinem zukünftigen Arbeitsplatz Stellung nehmen, der zuerst seinem Klassenkameraden Florian Mac’ky zugeschrieben war.
Sein jahrelanges Erstreben nach Macht und Berühmtheit ist mindestens genauso schnell verloren gegangen, wie er verstarb.
Manche sagen sogar, Florian Hettler Mac’ky starb, obwohl er nie richtig gelebt hatte.“

 

Die Kurzgeschichte habe ich selber geschrieben, die Idee entstand aus einem inneren Konflikt den ich ziemlich oft durchlebe: Schule oder "Leben"? Was ist wichtiger? Wie bekommt man beides gut geregelt? Geht das überhaupt? Und besonders: Gehört Schule nicht zum Leben?

 

Denkt selber nach.... ist für mich alles ziemlich verwirrend


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